Der Schluss





Wie schnell einen eine neue Welt völlig in sich aufnehmen kann, merke ich oft noch einmal so richtig, wenn ich sie wieder verlassen muss. 
Es ist verrückt, mir vorzustellen, dass ich in drei Tagen in das beknackte Flugzeug zurück nach Deutschland steigen soll. Ich habe mir vorgenommen, nicht damit anzufangen, darüber nachzudenken, dass das das letzte mal sein könnte, dass ich die bunten Treppen von Gemmayze hoch- und runtertapse, vollkommen nassgeschwitzt, weil es immer feuchter wird in der Luft um mich her. Dass das die letzten Nächte sind, in denen ich nicht schlafen kann, weil es immer noch so verflucht heiß ist und draußen der Beiruter Bär nicht aufhört zu steppen. Und in denen mir immer wieder auffällt, dass so viel Schlaf ja doch eigentlich überbewertet ist. Nach denen ich morgens aufstehe und es mir freisteht, in den klebrigen Bus zu steigen und ans Meer zu fahren, warmen Wind zu riechen und so viel Sonne überall zu spüren, dass ich das Gefühl habe, ich bin schon lange so voll damit, dass ich die nächsten vier Monate in Deutschland noch glühe. 
In denen ich meine freundlichen Schülerinnen um mich habe, die mich schon seit Wochen fragen, warum ich nicht einfach hierbleibe. Denn sie möchten eigentlich, dass ich nicht gehe, sondern mit ihnen weiterlerne und ins Kino und Cafés gehen und Selfies machen. Alle Menschen, denen ich jetzt begegne, möchte ich am liebsten erzählen, wie sehr ich hierbleiben möchte und dass ich nicht mehr weg will und dass es ab jetzt einfach immer so weitergehen kann. Stattdessen grüße ich lieber brav zurück und sage nichts - sonst muss ich wieder jemanden davon überzeugen, dass es sinnvoll für mich ist, jetzt in Deutschland weiterzustudieren, obwohl ich das ja selbst grade gar nicht richtig glaube.
Meine Freunde aus Beirut nehmen mich jetzt jeden Abend mit auf Partys und Konzerte, weil wir alle der Meinung sind, ich sollte nichts mehr verpassen. Mein Credo für die nächsten 56 Stunden: Schlafen kann ich, wenn ich wieder in Deutschland bin.

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