Sonntage in Ashrafieh - von Kaffee, Kitsch und Künstlern

Wenn man am Sonntagmittag aufwacht fällt einem sofort etwas auf, das man nicht sofort benennen kann. Je klarer der Kopf wird, desto mehr merkt man: Es ist ruhiger als sonst in Ashrafieh, viel ruhiger. Weniger Verkehr, weniger Geschäftigkeit, weniger Menschen auf den Straßen, weniger Trubel.


Man hört tatsächlich Tassen klappern auf den Balkons statt unablässig das Rauschen des Verkehrs. Die allermeisten Geschäfte in diesem christlichen Viertel sind geschlossen und die Menschen gehen zu Fuß in die Kirche, von denen es hier in jeder zweiten Straße eine gibt, statt für jeden Meter das Auto zu nehmen.

Nachdem man es mit einem größeren oder kleineren Kater im Kopf aus dem Bett geschafft hat und auf die sonnigen Straßen hinaus, kann man sich die typische Beiruter Brise um die Nase wehen lassen und die letzten Geister einer langen Samstagnacht verjagen. Alles scheint an diesen Sonntagen in Slow Motion zu verlaufen – keiner hat es eilig, alle trudeln gemächlich durch die Häuserschluchten und die bunten Treppen hoch und runter und lassen es sich bei dem wunderbar starken libanesischen Espresso gutgehen. In dem kleinen Jesuit Garden um die Ecke hocken Rentner, Kleinkinder und Katzen einträchtig nebeneinander und halten die Wangen in die Frühlingssonne.  
Man kann auch, wenn man wie ich den busy Alltag einer Lehrkraft hat, den Sonntag von 11 Uhr morgens bis in die Nacht im Haven for Artists verbringen um Kaffee zu trinken und Tee, mit den Anwohnern zu quatschen und sich zeigen zu lassen, was diese Genies in einer Woche wieder im Haus erneuert haben.
Seit acht Monaten ist der Haven eine Anlaufstelle für alle, die ihren Alltag nicht mehr allein bestreiten wollen. Er ist gedacht, um Menschen, die kreativ oder gesellig gestimmt sind einen freien Arbeits- und Lebensraum zu bieten. Künstler können hier Schlafmöglichkeiten oder ein Studio mieten, das nach ihren Wünschen hergerichtet wird: Alles ist permanent im Wandel.
Alle, die nicht im Haven wohnen möchten, können sich in den hohen, orientalischen Räumen rumlümmeln, auf Couches, Sitzkissen und Teppichen. Hier ist für mich der ideale Ort, um richtig was zu schaffen.
Innerhalb von einem Jahr haben die freiwilligen Buntzusammengewürfelten, die für den Haven zuständig sind, gelungen, aus einer Abbruchbude einen ruhigen, aber lebendigen Ort zum Bleiben und Reflektieren, Essen, quatschen, Rauchen und Erschaffen zu formen.
Das Interrior ist vom Eingang bis in die hinterste Ecke selbst gebaut, meist aus upgecycleten Resten, die verschrottet werden sollten. Es ist schwer, den Ort angemessen zu fotografieren: Am besten macht man sich ein Bild auf der Website und stattet dieser unglaublich freunlichen, offenen, hilfsbereiten Community einen Besuch ab. Es ist dort so schön, dass schnöde IPhone-Pics dem Ganzen einfach nicht gerecht werden. 





Also seht es euch hier an: https://www.facebook.com/havenforartists   http://havenforartists.org/

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